Dezember 5, 2017

Öræfajökull – ein Vulkan erwacht


Katla, Eyjafjallajökull, Bárðabunga, Grímsvötn: lang ist die Liste der isländischen Vulkane, die es in die ausländischen Nachrichten schaffen. Nun ist es der Öræfajökull, der für Furore sorgt und die Welt wieder mit dem Erlernen einen neuen Vokabel beschäftigt. Schon seit Wochen haben Wissenschaftler eine vermehrte seismische Aktivität festgestellt und grosse Mengen schmelzenden Eiswassers registriert. Mitte November wurde die erste Alarmstufe ausgerufen, die mittlerweile jedoch wieder zurückgerufen wurde. Bisher hat sich unter der Eisdecke, unter welcher der Vulkan liegt, eine neue Caldera geformt. Diese sinkt im Moment noch weiter ab. Ob sich die Caldera entleert oder sich noch Hitze unterhalb des Gletschereises befindet, ist derzeit nicht bekannt (Stand 05.12.2017). Diese geologischen Vorgänge sind besorgniserregend und spannend zugleich. Welchen Einfluß kann ein Ausbruch haben und wie gehen wir hier in Island damit um?

Lage des Gletschervulkanes Öræfajökull im Südosten Islands als Teil des großen Gletschers Vatnajökull. Öræfajökull befindet sich zwischen den Orten Höfn und Kirkjubæjarklaustur direkt neben der Ringstraße Nr. 1. Einer der herausragenden Gipfel ist der Hvannadalshnúkur: der mit 2110 Metern höchste Punkt Islands. Die Caldera des Vulkans hat eine Größe von 14 km². Karte: Map.is

Vulkane und Gletscher

Der Eyjafjallajökull schafftes es 2010, den internationalen Flugverkehr aufgrund seiner Aschebildung zeitweise lahmzulegen. Dabei sollte man den Öræfajökull nicht unterschätzen, denn es gibt bemerkenswerte Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Vulkanen. Hauptmerkmal ist ein Gletscher, der das Haupt der aktiven Riesen bildet. Vulkane und Gletscher können eine explosive Kombination sein: wenn das Eis durch aufsteigende Magma schmilzt, kann es bei solch einer subglazialen Eruption zu Fluten bzw. Gletscherläufen kommen. Feuer und Eis bilden auch die feinkörnige Asche, die umliegende und auch weit entfernte Flächen bedecken. Wenn diese leicht genug ist um in den Jet Stream zu gelangen, kann es auch für die Triebwerke von Flugzeugen brenzlig werden. Dreihundert Jahre ist der letzte Ausbruch des Öræfajökull schon her, doch in den vergangenen zwei Jahren hat sich der Berg unter dem Eis angehoben. Geologen vermuten eine verstärkte Ansammlung von Magma.

Eruptionsäule des Eyjafjallajökull, Satellitenaufnahme. Quelle: Wikipedia

Die Wildnis – Öræfi

Im Jahre 1362 gab es erstmals nach der Besiedlung Islands einen katastrophalen, explosiven Ausbruch der das zuvor bewohnte Land zu den Füssen des Berges durch Tephra und mehrere gewaltige Geltscherläufe verwüstete und auch Menschenleben kostete. Vierzig Jahre lang blieb das Gebiet unbesiedelt und wurde schließlich Öræfi – Wildnis genannt. Erst von diesem Ereignis hat der Gletscher seinen heutigen Namen davongetragen, der zuvor Knappafellsjökull hieß. Man geht davon aus, dass sich die Vegetation selbst bis heute nicht vollständig von diesem Ausbruch erholt hat. Vor dem Ausbruch galten die Bauernhöfe unter dem Gletscher aufgrund der ertragreichen Wiesen und Felder als wohlhabend. Die Höfe, die nach der jahrzehntelangen Siedlungspause dort einen Neuanfang wagten, mussten nun mit weitaus weniger fruchtbaren Flächen zurechtkommen.

Feuer, Fluten und Ascheregen

Einen weiteren Ausbruch gab es 1727 bei dem Gletscherläufe unterhalb mehrerer Auslassgletscher hervorschossen. Mit der Flut wurden Gesteinsbrocken, Asche und riesige Eisberge transportiert. Felder und Wiesen wurden zerstört und grasende Tiere mitgerissen. Die Asche verdunkelte das Gebiet drei Tage lang und die Heuernte blieb in diesem Sommer aus. Links und rechts der größten Siedlung, Sandfell, gab es zwei Erdrutsche. Der Reisende Ólafur Ólafsson schreibt: „Für drei Tage litt die Gemeinde Öræfi unter den Feuern, Fluten und dem Ascheregen. Es ist nicht leicht, alles so zu beschreiben, wie es tatsächlich war, da die Erde schwarz war von Schlacke und es riskant war rauszugehen aufgrund er glühenden Steine die von oben regneten, so dass man zum Schutz Eimer und Kübel über den Kopf halten musste.“

Frühwarnung und Evakuierung

Doch wie gehen die Isländer mit der ständig anwesenden Bedrohung durch Vulkanausbrüche um? Ziemlich gelassen wäre wohl die richtige Antwort. Im Durchschnitt bricht in Island alle 4 bis 5 Jahre ein Vulkan aus; so oft also, dass die meisten Isländer ausreichend Erfahrung in ihrem Leben damit gesammelt haben. Und eben diese Erfahrung zeigt, dass es die Menschen immer geschafft haben, sich rechtzeitig in Sicherheit zu bringen. Selbst als auf Heimaey, der einzigen bewohnten Insel der Westmännerinseln, im Jahre 1973 ein Vulkan gleich neben der Kleinstadt ausbrach und zahlreiche Gebäude vernichtete, konnten sich alle Bewohner rechtzeitig in Sicherheit bringen. Das Vertraunen in die Überwachungstechniken und Frühwarnsysteme ist gross und das berechtigterweise. Engmaschig wird ganz Island mit Seismographen auf Erdbeben hin untersucht, die den Ausbrüchen vorangehen. Jeden Tag kann man auf der isländischen Wetterseite Vedur.is alle aktuellen Erdbeben mitverfolgen.

Was müssen Reisende in der Nähe des Öræfajökull beachten?

Bricht ein Vulkan aus, liegt bereits ein ausgetüftelter Evakuierungsplan vor. In den Vulkanregionen wie unterhalb des Mýrdalsjökull oder auch unter dem Öræfajökull finden regelmäßig Einwohnerversammlungen statt, auf denen die nach neuesten, wissenschaftlichen Erkenntnissen berechneten Abflussgebiete für Gletscherläufe mitgeteilt werden. Davon abhängig sind die Evakuierungsstrategien für die Einwohner. Für Reisende die sich im Gebiet aufhalten oder südlich des Öræfajökull auf der Ringstrasse fahren ist es wichtig, das Handy unbedingt immer eingeschaltet zu haben! Im Notfall wird eine SMS an alle zur Zeit ortbaren Mobiltelefone in der Region geschickt. Auch wir nehmen im Ernstfall Kontakt zu unseren Kunden auf, die im betroffenen Gebiet unterwegs sind oder sich darauf zubewegen. Wenn es anfängt Asche und Tephra zu regnen, sollte man sich in den nächstgelegenen Gebäuden Schutz suchen. Hier finden Sie den ausführlichen Evakuierungsplan.

Der Evakuierungsplan der Gegend unterhalb des Öræfajökull herausgegeben vom Amt für Katastrophenschutz (Allmannavarnir). Im Falle eines Ausbruchs werden Reisende und Einwohner dazu angehalten, schnellstmöglich eines der drei folgenden Gebiete aufzusuchen: Svínafell 1, Hof 1 und Hnappavellir 2 und dort auf weitere Instruktionen zu warten.

Ein Eldorado für Schaulustige

Bei den Islandbewohnern werden durch Vulkanausbrüche vor allem auch Gefühle der Abenteuerlust geweckt! So kam es 2010 beim Vulkanausbruch des Eyjafjallajökull zu Staus auf der Ringstraße, da die Isländer und auch extra aus dem Ausland angereiste Schaulustige so nah wie möglich versuchten, an die Aschewolke heranzukommen. Viele machten sich sogar strafbar, da sie illegal Touristen ihre Dienste als Guides im Privatauto anboten. Tritt Lava aus einem Vulkan hervor, wundert man sich unter Umständen über die vielen Leute, die sich aus Spaß Würstchen in der heißen, flüssigen Lava grillen. Da wo es erlaubt wird, werden Rundflüge zur Ausbruchsstelle angeboten und nach Vulkanausbrüchen gibt es Scharen von Leuten, die sich die neuen geschaffenen Landschaften und die noch heiße, dampfende Lava ansehen möchten. Nach dem Ausbruch der Bárðabunga 2014/2015 und der Entstehung des neuen Lavafeldes Holuhraun konnte in einem durch die Lava erwärmten See gebadet werden.

Schaulustige beim Ausbruch am Fimmvörðurháls 2010. Quelle: Amt für Katastrophenschutz (Allmannavarnir)

Was tun wir?

Wir bei Erlingsson Naturreisen verfolgen den jeweils aktuellen Stand der Dinge um unsere Kunden möglichst klar und zeitnah über eventuelle Gefahren aufzuklären. Auch geben wir stets den Hinweis, sich vor jeder Tagesetappe die Wettervorhersage auf vedur.is anzusehen. Hier befinden sich auch diverse Warnungen, inklusive Sperrungen durch Fluten, Sturm- und Lawinenwarnungen. Andere gute Quellen sind auch Safetravel.is und vegagerdin.is (isländisches Straßenamt). Manchmal wird eine Umbuchung einer bereits geplanten Reise kurz vor Anreise oder auch vor Ort notwendig. In diesem Fall schließen wir uns mit unseren Kunden kurz und arbeiten gemeinsam eine neue Reiseroute aus. Hier haben wir besonders im Jahre 2010 gute Erfahrungsbasis geschaffen. Bei Naturkatastrophen steht die Sicherheit des Reisenden an erster Stelle, weshalb sich die Hotels in der Regel bei spontaner Ab- und Umbuchung sehr verständig zeigen. In solch einer Situation arbeiten alle Teilnehmer uneigennützig zusammen.

Nun bleibt abzuwarten, welche Überraschungen der Öræfajökull in Zukunft bereit hält. Wie immer, und vielleicht gerade deshalb, ist und bleibt Island ein spannendes Reiseland: denn hier ist man den Urgewalten noch ganz nah!

 

Titelbild: Öræfajökull,  mbl.is/Rax

Text: Anne Steinbrenner