Mai 24, 2021

Der Vulkan im Geldingardalur (am Fagradalsfjall)


Seit dem 19. März 2021 gibt es eine neue Attraktion in Island: den Vulkan auf der Halbinsel Reykjanes im Tal Geldingardalur ganz in der Nähe der kleinen Hafenstadt Grindavík. Nach wochenlangen Erdbeben und Mutmaßungen hatte sich endlich eine Spalte geöffnet und am Nachthimmel war plötzlich ein roter Schein zu sehen. Der erste Gedanke der vielen Isländern in den Sinn kommt ist, wie man am besten hinkommt um sich das Spektakel anzusehen. So machten sich gleich einige noch in der ersten Nacht auf den Weg durch das Dunkel und die Kälte durch unwegsame Lava und Schlamm. Einen Wanderweg gab es anfangs noch nicht. Ungewiss war auch, ob der Ausbruch einige Stunden, Tage, Wochen oder viele Jahre oder gar Jahrzehnte anhalten wird und keiner wollte sich die Chance entgehen lassen.

Krater 5 Tage nach Ausbruch

Krater im Tal Geldingardalur am 23.03.2021, vier Tage nach Beginn des Ausbruchs. Circa eine Stunde später nach der Aufnahme dieses Bildes wurde das Gebiet geräumt. Kurze Zeit später brach ein Stück der Seitenwand des Kraters weg und ein neuer Lavastrom bedeckte einen Teil auf dem vorher die Besucher standen. Foto: A. Steinbrenner

Vulkan Fahrrad Geldingardalur Anne Mai

Blick auf den Krater in den Geldingardalur aus östlicher Richtung vom Wanderweg A. Photo: A. Steinbrenner (Mai 2021).

Ein Ausbruch so zugänglich wie nie zuvor

Die Polizei sollte bald schon einsehen, dass solch ein großes Interesse kaum gestoppt werden kann. Zwar gibt es im Schnitt alle vier Jahre einen Vulkanausbruch in Island aber kaum einer war jemals so nah und zugänglich. Auch handelt es sicher eher um einen kleinen und recht übersichtlichen Ausbruch der gut von den Geologen und dem Rettungsteam überwacht und beobachtet wird. Im Gegensatz zu Vulkanen unter Gletschern kann hier die Lava frei fließen und es entstehen auch keine riesigen Aschewolken in denen es blitzt und die den Flugverkehr behindern. Beste Bedingungen also, um einen Ausbruch mit eigenen Augen von ganz Nahem miterleben zu dürfen. 

Lavafeld Geldingardalur Vulkan März 2021

Die Lava erobert neues Gebiet und füllt so langsam das Becken Geldingardalur wie eine Badewanne. A. Steinbrenner (März 2021).

Von Anfang an ein Magnet für Schaulustige

Anfangs wurde die Straße Suðurstrandavegur, die südlich der Ausbruchstelle entlangführt, gänzlich für Fahrzeuge gesperrt. Die Leute wurden schnell kreativ und fuhren mit dem Fahrrad oder den Elektroroller auf der Straße zu der Stelle, wo heute der offizielle Wanderweg beginnt. Als die Straße dann wieder für den Verkehr geöffnet wurde, stapelten sich die Autos förmlich an der einen Straßenseite und das zu jeder Uhrzeit. Beliebt waren besonders die Abendstunden da die glühende Lava im Dunkeln umso imposanter erscheint und die Adern im Lavafeld erst recht sichtbar werden. Ob alt oder jung: jeder versuchte dorthin zu gelangen. Schnell wurde das Gebiet zugänglicher gemacht: der Wanderweg wurde markiert, mit Seilen versehen an steileren Hängen, ein riesiger Parkplatz mit Zufahrtsstrasse wurde angelegt, welcher heute kostenpflichtig ist, das Rettungsteam bekam eine eigene Hütte. Safetravel.is gibt aktuelle Auskünfte darüber, ob das Gebiet geöffnet ist oder aus Sicherheitsgründen geschlossen ist.

Nordlichter und der Vulkan. Für viele sind die Abend- und Nachtstunden erst richtig interessant. Foto: Roland Schweizer (Ende März/Afang April 2021).

Nicht ganz ohne Gefahren und nicht immer geöffnet

Ganz ungefährlich ist ein Besuch der Ausbruchstelle eigentlich nie. Es können neue Spalten entstehen, ein Krater kann aufbrechen und die Lava plötzlich woanders abfließen und noch wichtiger, die Gase können bei geringer Windstärke gefährlich werden, besonders dann, wenn man sich in einer Senke befindet. Man soll man auch keine kleinen Kinder oder Hunde mitnehmen. Zu den Gasen gehören Schwefeldioxid (SO2), Schwefelwasserstoff (H2S) und Kohlendioxid (CO2). Letzteres ist geruchlos und besonders gefährlich, da man plötzlich bewusstlos werden kann und man nicht genug Sauerstoff bekommt. Auch wurde das Gebiet im Mai schon aufgrund von Vegetationsbränden rund um die Ausbruchstelle oder aufgrund von Bauarbeiten am Wanderweg gesperrt. Das isländische Rettungsteam Björgunarsveit ist meistens vor Ort um die Gasbelastung zu überprüfen und um auf die Sicherheit der Besucher zu achten.

Rettungsmannschaft Björgunarsveit am Lavafeld Mai 2021

Die Belastung mit Gasen kann gerade in den Becken bzw. Tälern bei geringer Windstärke zum Problem werden. Photo: A. Steinbrenner (Mai 2021).

Ein Wandergebiet für die kommenden Jahre

Wie lange der Ausbruch dauern wird ist ungewiss aber man geht bei Planung des Ausbau des Gebietes von einem längeren Zeitraum aus. Selbst wenn der Ausbruch bald zu Ende gehen sollte, werden das neue Lavafeld und die Krater in den nächsten Jahren eine beliebte Wanderdestination bleiben.

Vulkan Geldingardalur Mai 2021 Anne

Für viele Isländer längst ein beliebter Sonntagsausflug. Manche haben auch Strickzeug mit dabei. Photo: A. Steinbrenner (Mai 2021).

Wanderung zum Vulkan im Geldingardalur

Wer den Vulkan besuchen möchte, muss derzeit (Ende Mai 2021) eine Wanderung von ca. 10 km insgesamt zurücklegen und auch Steigungen mit losem Geröll bewältigen können. Der gängige Wanderweg beginnt am Suðurstrandarvegur, welcher Grindavík mit Þorlákshöfn verbindet. Mittlerweile gibt es unbefestigte, kostenpflichtige Parkplätze unweit und gut sichtbar am Wanderweg, der an dieser Stelle an den Containern der Rettungsmannschaft beginnt. Von dort geht man durch das Lavafeld Borgarhraun ca. 1 km auf dem neu angelegten und mittlerweilen geschotterten und ebenem Wanderweg.

KOrt April Fagradalsfjall Eldfjall

Karte von Iskort.is mit den Wanderwegen A und B vom Parkplatz. Lilafarben: neue Lava, gelbe Punkte: Krater, Rot: Gefahrenzone für neue Spalten/Krater, Organgefarben bzw. halb durchsichtig: Gefahrenzone für neuen Lavafluss. Diese Karte wird immer wieder erneuert. Quelle: Safetravel.is

Dann muss man sich entweder für Weg A oder Weg B entscheiden, was vom Eruptionsgeschehen aber auch vom Wetter und der Windrichtung abhängen kann. Bei Safetravel kann man aktuelle Hinweise bezüglich der Wanderwege finden. Weg A war fast die ganze Zeit über weitaus interessanter und ist eigentlich der Hauptwanderweg. Auf diesem geht man nach rechts den Hang zwischen Borgarfjall und Fagradalsfjall einen geschotterten Wanderweg hinauf und läuft weiter am seitlichen Hang des Fagradalsfjalls hinauf der dann nochmal steil hinauf führt. Da das Material dort recht lose ist, lohnt es sich, mindestens einen Wanderstock mitzunehmen.

An einigen Stellen ist das Gestein recht lose und gerade für den Abstieg kommen Wanderstöcke gut gelegen. Foto: A. Steinbrenner (08.05.2021).

Oben auf dem Plateau angekommen, kann man die ersten Blicke auf den Krater erhaschen. Es geht dann weiter am Hang eines kleinen Berges entlang und um ihn halb herum am neuen Lavafeld entlang. Anschließend nimmt man die letzte kleine Steigung auf einen kleinen Bergrücken in Angriff, der mitten im Geschehen liegt und auf dem man dem feuerspuckenden Krater ganz nah ist. Man befindet sich dann auf einer Höhe von knapp 300 m und sollte beachten, dass es dort meist etwas kälter und windiger ist als unten im Flachland und sollte deshalb warme Kleidung mitnehmen. Außerdem sind gute, knöchelhohe Wanderschuhe und wind- und wasserdichte Kleidung unerlässlich. Auch wenn das Wetter beim loswandern gut sind, können sich die Bedingungen in Island sehr schnell ändern. Bevor man loswandert, sollte man die Hinweise bei Safetravel.is und auf Vedur.is lesen. Viele schwören auch auf den norwegischen Wetterbericht. Hier ist ein Link direkt für das Wetter bei Grindavik.

Ein ständiger Wandel

Das Vulkangebiet am Geldingardalur bzw. am Fagradalsfjall ändert sich ständig. Seit der Beginn er Eruption im März 2021 haben sich neue Spalten aufgetan, es sind neue Krater entstanden, dann wieder erloschen und die Lava hat neue Gebiete erschlossen. Erst waren zwei oder mehrere, dann nur noch einer und dieser hat sein Verhalten mehrmals geändert vom ruhigen Dauerspucker bis hin zu einem geysirartigen Krater mit bis über 300 m hohen Lavafontänen. Es wurden Mitte Mai zwei 4 bis 8 m hohe Dämme angelegt, um die Lava daran zu hindern, den Hang in Richtung Süden nach Nátthagi über die neue verlegte Internetleitung und in Richtung der Straße Suðurstrandavegur abzufließen. Nach  etwa einer Woche wurden beide Dämme von der Lava überflossen und nun nähert sich der Strom langsam der wichtigen Verbindungsstrasse. Man kann also kaum verbindliche Aussagen machen, ob der oben beschriebene Wanderweg auch noch in Zukunft so aussehen wird. Vielleicht wird man auch eine Straße näher heranbauen oder bald gar nicht mehr so einfach mit dem Auto herankommen. Man kann sich nur überraschen lassen!

Nachtrag vom 13.06.: Der oben beschriebene Wanderweg wurde gerade erst von einem neuen Lavafluss durchtrennt und nun muss erst ein neuer Wanderweg markiert werden. Wanderweg B ist aber noch offen.

Lava Vulkan Anne Mai 2021 Geldingardalur

Dünnflüssige Lava. Der obere Teil des Lavafeldes im Bild bewegte sich wie ein Fließband. Erstarrte Lava wurde wieder flüssig und es knistert und es klingt, als würde Glas zerbrechen. Photo: A. Steinbrenner

Nachtrag vom 24.06.: Wer jetzt zum Vulkan gehen möchte, kann vom Parkplatz am Suðurlandsvegur den einfachen Wanderweg ca. 20 Minuten nach Nátthagi zur neuen Lavazunge gehen. Gestern war dort kein Lavafluss aber es glüht noch rot und dampft und geht sicherlich bald wieder weiter an der Stelle. Die Wanderung kann von allen bewältigt werden und es gibt keine grossartigen Steigungen. Wer auch den Krater sehen möchte, kann östlich von Nátthagi auf den Hügel Langahryggur steigen und oberhalb am Lavafeld entlangehen. Dieser Weg soll demnächst markiert werden und wird vermutlich Weg C genannt. Den älteren Weg A kann man nur noch ansatzweise gehen und sieht von dort den Krater von weitem. Wanderweg B ist aber noch offen. Dieser ist recht schwierig und man guckt auf die Rückseite des Kraters.

Vulkan am 23.06. Nátthagi

Erstarrte Lava bei Nátthagi. Darunter glüht es und es ist nur eine Frage der Zeit bis die Lava auch hier wieder oberirdisch fließt. Photo: A. Steinbrenner (23.06.2021)

Nachtrag vom 07.07.: Mittlerweise ist der Wanderweg C markiert und zum beliebtesten Wanderweg geworden. Er geht östlich an den Lavafeldern vorbei und ermöglicht eine gute Sicht auf den Krater. Hin und zurück sind es grob geschätzt 8 km. Gleich in der Nähe von Náttahagi ist der Parkplatz am Suðurstrandavegur. Das Parken kostet 1000 ISK (ca. 7 EUR) die per App oder über diese Webseite bezahlt werden können: https://parka.is/pay/geldingadalir/

Von Nátthagi geht man rechts/östlich über den steilen und etwas rutschigen Hang mit losen Gestein auf den Berg Langihryggur und läuft auf diesem immer in Richtung Norden oberhalb am Lavafeld entlang. Hier kann man sich kaum verlaufen, da man auf dem Bergrücken entlang geht. Allerdings ist es auch häufig neblig. Man sieht von dort oben, wie die Lava aus den benachbarten Tälern über die steilen Hänge geflossen kam. Auf dem Langihryggur geht man an einigen Webcams vorbei. Man kann weiter laufen bis zum Tal Syðri Meradalur, wo man auch den aktiven Krater sieht sowie mehrere alte Krater in einer Art Kraterreihe, die nicht mehr aktiv sind. Das schöne an dem Wanderweg C ist, dass man immer den Blick auf das neue Lavafeld hat und an einige Stellen auch hinunter gehen kann. Man sieht auf dem ganzen Weg recht unterschiedliche Lava aus verschiedenen Phasen des Ausbruches. Am Ende des Langihryggur geht es hinunter und wer Lust hat, kann um den Berg Stóri-Hrútur in die Meradalir gehen. Auf keinen Fall soll man auf die neu erstarrte Lava gehen, da sich im Untergrund immer noch flüssige Lava befinden kann. Am Anfang konnte man immer Lava fließen sehen, mittlerweile findet vieles unterhalb und in den Hohlräumen und Tunneln bereits erstarrten Lava statt. Auch ist der Krater sehr launisch geworden und die Aktivität fällt plötzlich ab, um nach ein paar Stunden oder Tagen wieder anzusteigen. Dies kann nicht vorhergesagt werden. Bevor man hingeht, kann man sich auch über die Webcam z.B. von Mbl einen Eindruck verschaffen.

Ida am VulkAN

Lavafelder im Syðri Meradalur. Standpunkt zwischen Langihyggur und Stóri-Hrutur. Photo: A. Steinbrenner (07.07.2021)

Nachtrag vom 23.09.: Nach einer fast 10-tägigen Pause Anfang September wurde in der letzten Zeit wieder sehr viel Lava gefördert. Wir waren am 14.09. das letzte mal dort auf dem Wanderweg A und haben im Geldingardalur einen riesigen Lavapool gesehen, aus dem die Fontänen nur so hochschossen. Überall blubbere es und man sah auch unterhalb der erstarrten Lava selbst ganz am Rand und dicht unter der Oberfläche glühende Lava. Wir hatten das Gefühl, dass das Tal sich gefüllt hatte und sich dieser angestaute Lavasee bald entladen würde. Am folgenden Tag geschah genau dies und Wanderweg A wurde teils von schnellfließender Lava überflutet, die bis nach Nátthagi weiterfloß. Das Gebiet wurde kurzzeitig evakuiert, wobei aber Wanderweg C weiterhin offen blieb. Dieser ist auch bis jetzt zu empfehlen und gilt derzeit als der Sicherste.

Vulkan Franzosen AS

Eine französische Gruppe hat es sich gemütlich gemacht. In der Ferne ist der Lavasee zu sehen und rechts der Krater, der intervallartig Feuer spukte. Photo: A. Steinbrenner (14.09.2021)

Vulkan Fagradalsfjall September AS

In der Dämmerung ist das Erlebnis auch nochmal ganz speziell und viele machen sich gerade dann auf den Weg. Man sollte aber gute Stirn- und Taschenlampen für die Wanderung mitnehmen. Photo: A. Steinbrenner (14.09.2021)

 

Das Ende?

Nachtrag vom 14.10.: Seit dem 18.09. gab es aus dem Vulkan schon keine flüssige Lava mehr. Obwohl es vorher immer mal Ruhephasen gab ist diese Pause nun die längste seit Beginn. Aus dem Krater dampft es aber noch. In der letzten Zeit gab es viele Erdbeben, die darauf hindeuten, dass sich die Magma in Spalten in Richtung Berg Keilir verschiebt. Ob es dann dort zu einem Ausbruch kommen könnte, weiss man nicht. In den Nachrichten bei RUV wurde bereits das Ende des Ausbruchs verkündet. Die Wanderwege B und C gibt es aber noch, wobei C der interessantere ist. Auch existieren die Parkplätze am Vulkan und das Gebiet wird selbst jetzt im Winter mit ca. 1.000 Besuchern pro Tag noch gut besucht.