Seitdem es den neuen Hafen in Südisland gibt, sind die Westmänner-Inseln leicht zu erreichen. Die Hauptinsel des Archipels heißt Heimaey („Heimatinsel“). Sie ist die einzige Insel, die bewohnt ist und die besucht werden kann. Vestmannaeyjarbær („Westmännerinsel-Stadt“) ist der Name der Siedlung auf Heimaey. Meist wird einfach von Vestmannaeyjar (Westmänner-Inseln) gesprochen, wenn man die bewohnte Insel meint. Bekannt wurde die Insel Heimaey durch den Vulkanausbruch 1973.
Die Anreise nach Heimaey ist von Reykjavík aus mit dem Kleinflugzeug möglich. Die Fluggesellschaft Eagle Air führt diese Flüge durch. Die Insel ist aber auch sehr gut mit der Fähre erreichbar. Per Auto oder mit dem öffentlichen Bus erreicht man den Hafen „Landeyjarhöfn“ in knapp 2,5 Stunden von Reykjavík aus. Die Überfahrt mit der Fähre „Herjólfur“ dauert eine gute halbe Stunde. Fahrpläne für Bus und Fähre (Achtung: Sommer- und Winterzeiten!) findet man auf folgenden Homepages:
Fähre Landeyjahöfn – Vestmannaeyjar
Bus (Bus routes in South Iceland, Linie 52)
Das Auto kann man getrost am Festlandhafen zurück lassen, da die Insel Heimaey gut zu Fuß erkundet werden kann. Wer nicht gut zu Fuß ist und / oder interessante Informationen über die Insel erhalten möchte, kann auch eine organisierte Bustour mit Reiseleiter auf der Insel buchen. Erlingsson Naturreisen bietet geführte Tagesexkursionen nach Heimaey an.
Auf Heimaey gibt es Gästehäuser und Hotels. Falls man übernachten möchte, sollte man unbedingt im Voraus reservieren, um nicht ohne Unterkunft auf der Insel festzusitzen, falls alle Zimmer ausgebucht sein sollten.
Auf der Insel gibt es etliche lohnenswerte Ziele, für die man 1-3 Tage Zeit einkalkulieren sollte:
Sehr empfehlenswert ist eine Bootstour rund um die Insel Heimaey. Die Bootstour sollte im Voraus gebucht werden, sonst besteht Gefahr, dass man kein Ticket mehr bekommt. Bei einer Tagestour nach Heimaey ist es sinnvoll, die erste Fähre zur Insel zu nehmen und direkt von der Fähre zur Bootstour zu gehen. So ist man nach Ende der Bootstour zeitlich flexibler. Auf der Bootstour sieht man Höhlen, die neue Lava, den alten Krater Helgafell und den neuen Krater Eldfell, den steinernen „Elefanten“ und mit etwas Glück sogar Orcas. Die Tour findet von Mitte Mai bis Mitte September täglich um 11 Uhr und 16 Uhr statt und dauert etwa 1,5 Stunden. Weitere Infos zur Tour finden Sie hier.
Manchmal kommt man auf der Bootstour auch in den Genuss einer kleinen musikalischen Überraschung.
Bei gutem Wetter kann man von weitem die Insel Surtsey erkennen. Sie entstand 1963 bei einem Vulkanausbruch auf dem Meeresgrund und darf nur von Wissenschaftlern mit Sondergenehmigung betreten werden. Auf Surtsey wird nämlich untersucht, wie sich Pflanzen und Tiere auf Neuland ansiedeln.
Im Anschluss an die Bootstour bietet sich bei gutem Wetter eine Wanderung auf den neuen Krater Eldfell an. Bei klarer Sicht kann man vom Gipfel bis zu den Gletschern der isländischen Südküste blicken. Ein herrlicher Ausblick.
Bei stürmischem Wetter sollte man mit einer Besteigung sehr vorsichtig sein oder ganz davon absehen. Der Weg zum Kraterrand führt über loses vulkanisches Material, in dem man leicht wegrutscht. Hohe, feste Bergschuhe sind sehr wichtig. Hände wegen der Stolpergefahr auf keinen Fall in den Taschen lassen, besser sind bei Kälte Handschuhe! Auf dem Weg zum Krater werden Sie – je nach Route – vermutlich auch das Lavafeld von 1973 überqueren und an einer Pumpe vorbeikommen, mit der Meerwasser zum Kühlen auf die heiße Lava gepumpt wurde. Vielleicht passieren Sie auch den liebevoll angelegten kleinen Privatgarten mitten im Lavafeld. Für die Wanderung auf den Krater sollte man ca. 1,5 Stunden einplanen.
Das rote Licht am Gipfel ist übrigens keine Vulkanausbruchs-Warnlampe, sondern schlicht und einfach ein Warnlicht für den Flugverkehr.
Wer nun eine Pause benötigt, findet auf Heimaey etliche Cafés, Restaurants und Geschäfte. Oder man entspannt bei einem Besuch des örtlichen Freibades.
Zwischen Mai und August kann man auf Heimaey auch Papageitaucher (auch Papageientaucher genannt) finden. Dazu begibt man sich am besten in das schöne Tal Herjólfsdalur. Von dort führen steile Pfade hinauf zu den Klippen. Vorsicht, Absturzgefahr! Auch verschiedene Aussichtspunkte entlang der Küste ermöglichen Vogelbeobachtungen, beispielsweise der im Süden der Insel gelegene Punkt Stórhöfði – auch bekannt als windigster Ort Europas. Anfang August werden viele junge Papageitaucher durch die Lichter der Stadt irritiert und verirren sich auf dem Weg von ihrer Nisthöhle zum Meer. Dann dürfen die Kinder auf der Insel länger aufbleiben. Sie sammeln die Jungvögel in Pappkartons und entlassen sie am nächsten Tag in die Freiheit.
Am Ortsrand befindet sich der Seilschwung-Übungsfelsen „Sprangan“. Hier können Jugendliche – ohne jegliche Sicherung – für das Sammeln von Vogeleiern in den Felsklippen trainieren. Einige Familien haben Genehmigungen für das Sammeln von Vogeleiern, eine traditionelle Methode der Versorgung mit Lebensmitteln. Dazu halten einige Personen oben am Klippenrand das Seil, während der Seilsammler langsam hinabgelassen wird und sich von Felsvorsprung zu Felsvorsprung schwingt, um die Eier zu sammeln. Ein sehr unfallträchtiges Unterfangen. Am Sprangan kann man das Schwingen und Landen auf dem Felssims üben. Bitte überschätzen Sie sich nicht, man braucht mehr Kraft als es scheint. Besser überlassen Sie den Felsen den Einheimischen. Wenn Sie Glück haben, kommen auch einige Kinder oder Jugendliche vorbei und geben eine kleine Kostprobe dieser gefährlichen Sportart.
In der Nähe des Hafens findet man eine hübsche Stabkirche aus dem Jahr 2000. Sie ist ein Geschenk der Norweger an die Insel anlässlich der 1000-Jahr-Feier der Christianisierung, die von Norwegen ausging.
In der Nähe der Kirche befindet sich auch die Festungsanlage skansinn aus dem 16. Jahrhundert. Allerdings konnte sie die Insel nicht vor dem schlimmen Überfall durch algerische Piraten im Jahr 1627 schützen.
Neben der Stabkirche liegt das kleine Medizin-Museum „Landlyst“. Dort befand sich die erste Entbindungsstation Islands. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts starben noch 60-70 % aller Neugeborenen auf Heimaey innerhalb der ersten zwei Lebenswochen an Neonatalem Tetanus. Der dänische Staat ließ daraufhin die auf Heimaey aufgewachsene Sólveig Pálsdóttir in Kopenhagen eine Ausbildung zur Hebamme absolvieren. Sie kam 1843 zurück nach Heimaey, doch ihre Ausbildung zeigte zunächst keine Verbesserung der Verhältnisse. Erst als sich Dänemark 1847 entschloss, den Arzt Peter Anton Schleisner nach Heimaey zu schicken, ging die Sterblichkeit der Neugeborenen rasant zurück. Schleisner führte strikte Hygienemaßnahmen ein und forderte die Mütter zum Stillen der Kinder auf.
Als medizinisches Wunder der Neuzeit gilt auch Guðlaugur Friðþórsson, genannt Gulli. 1984 gelang es dem Fischer nach dem Untergang seines Bootes in eiskaltem Wasser schwimmend die Insel Heimaey zu erreichen – eine unglaubliche Leistung. Die wahre Begebenheit wurde vom isländischen Regisseur Baltasar Kormákur als beeindruckender Kinofilm mit dem Titel „djúpid“ – „the deep“ verfilmt. Der Film ist auf Isländisch mit englischen Untertiteln auf DVD erhältlich, beispielsweise in isländischen Buchhandlungen.
Heimaey verfügt über drei weitere sehr interessante Museen:
Das etablierte Stadtmuseum (als Sagnheimar, Safnahúsið oder auch Byggðarsafn ausgeschildert) in der Innenstadt zeigt eine umfangreiche Ausstellung über den Vulkanausbuch 1973 und die Geschichte von Heimaey. Dieses Museum ist klassisch aufgebaut und sehr informativ. Nähere Informationen finden sich auf der Homepage: http://www.sagnheimar.is/de
Das neue Museum „Eldheimar“ (Feuerwelten) oder „Pompeji des Nordens“ liegt am Rand der Stadt – oder genauer gesagt auf der Stadt. Denn dieses Museum zeigt einige Häuser, die während des Vulkanausbruchs 1973 von der Lava verschüttet wurden und für das Museum wieder ausgegraben wurden. Mit einer Audioführung per Kopfhörer (auch in deutscher Sprache) wird man von Station zu Station geleitet und bekommt einen Eindruck vom Ausbruch 1973.
Das Naturkundemuseum und Meeresaquarium wurde 2019 modernisiert und vergrößert. Es wurde hier ein Station für 2 Beluga-Wale eingerichtet, welches das Ziel hat, mit dem Ziel, ehemals in Gefangenschaft lebenden Belugawalen ein sicheres und natürlicheres Zuhause zu geben.
Ein Tag auf Heimaey bietet eine gute Gelegenheit, sich einen Überblick über die Insel zu verschaffen. Wer die Insel ausgiebig erkunden möchte, sollte lieber mehrere Tag bleiben. Die Insulaner sind einfallsreich und lassen sich immer neue Attraktionen für die Touristen einfallen: Segway-Touren, Fahrradverleih, Touren mit dem Trike (elektrisches Steh-Dreirad), RIB-Boot-Fahrten oder eine geführte Besichtigung der örtlichen Bier-Brauerei „The Brothers Brewery“. Auch einen großen Golfplatz gibt es auf der Insel. Heimaey hat viel zu bieten!
Achtung, Bankfeiertag: Es ist nur sehr bedingt empfehlenswert, die Westmännerinseln zum Zeitpunkt des Bankfeiertages (das Wochenende vor dem 1. Montag im August) zu besuchen. Zu diesem Zeitpunkt herrscht der absolute Ausnahmezustand, denn das Tal Herjólfsdalur verwandelt sich in ein riesiges Open-Air-Konzertgelände mit Tausenden von Menschen. Hohe Eintrittsgebühren, kaum zu bekommende Fährpassagen, eine riesige Zeltstadt… Wer nicht begeisterter Festival-Fan ist, sollte die Inseln zu diesem Zeitpunkt meiden. Oder sich auf das Festival einlassen, in den Trubel stürzen und entsprechend langfristig planen. Bei der Planung hilft die Festival-Homepage.
Text und Fotos: C.B.