Wenn die Tage in Island wieder dunkler werden, so hat das seinen ganz eigenen Reiz. Gerade die Hauptstadt Reykjavík erstrahlt im Lichterschein unzähliger Lichterketten, sogar riesige alte Laubbäume werden mit Tausenden von kleinen Lichtchen verziert. Die Geschäfte in Reykjavík hängen gar komplette Weihnachtsbäume an die Fassaden und alles ist stimmungsvoll beleuchtet. Selbst die Friedhöfe werden zur Vorweihnachtszeit festlich mit leuchtenden Kreuzen geschmückt.
Und schon bald tauchen die 13 Weihnachtsmänner einer nach dem anderen aus den Bergen auf und treiben ihren Schabernack mit den Einwohnern.
Während der lange Winter den Einheimischen spätestens ab Februar auf die Stimmung drückt und der eine oder andere in die Sonne der Kanarischen Inseln flieht, so möchte kaum jemand die Vorweihnachtszeit in der Heimat missen.
Ist der Himmel strahlend-blau und die Landschaft vom Schnee verzaubert, so bietet sich ein Bummel am Meer entlang an. Das Kunstwerk „Þúfa“, eine stilisierte Bülte bzw. Grasbuckel am Altstadthafen, bietet einen hervorragenden Blick über die gesamte Stadt und die umliegenden Berge. Der Hausberg von Reykjavík, die Esja, ist im winterlichen Puderzuckerkleid einfach wunderschön.
Stürmt es, so müssen die Angestellten der Stadt schnell die großen aus Tannengrün erstellten Weihnachtsglocken über der Fußgängerzone in Sicherheit bringen, und man flüchtet in eine kuschelig-warme Buchhandlung oder eines der vielen gemütlichen Cafés.
Zwar ist es unter Isländern populär, zu den berühmten Weihnachtsmärkten Deutschlands zu reisen, aber auch in Island selbst gibt es inzwischen kleine, aber feine Weihnachtsmärkte. Der Adventsmarkt auf dem Platz Ingólfstorg in Reykjavík, der Budenzauber im Nachbarort Hafnarfjörður oder der romantische Markt im Naherholungsgebiet Heiðmörk mit seinem Kunsthandwerk bietet auch heimwehgeplagten Deutschen adventlichen Zauber. Wenn man dann noch Glück hat und einen klaren, verschneiten Wintertag erwischt, ist die Stimmung perfekt.
Das Freilichtmuseum von Reykjavík „Árbæjarsafn“ bietet eigene Adventsveranstaltungen an. So wird um den verschneiten Weihnachtsbaum getanzt und man zieht von Häuschen zu Häuschen, wo in traditionellen Trachten alte Handwerksarbeiten und Rezepte vorgeführt werden. Die Kinder sind begeistert, wenn überraschend einer der 13 Weihnachtsmänner auftaucht.
Während in alter Zeit in Ermangelung echter Bäume oft Holzgestelle mit grünen Zweigen als Weihnachtsbaum dienten, so werden heute unter anderem von den ehrenamtlichen Bergrettungsteams Weihnachtsbäume für den Verkauf angepflanzt. So kann man in den kleinen Wäldchen seinen eigenen Baum fällen und damit sogar die Arbeit der Rettungsteams unterstützen. Ohne die ehrenamtlichen Helfer wäre ein Leben auf der Insel mit ihren elementaren Naturgewalten kaum denkbar.
In alter Zeit war Weizenmehl sehr kostbar, so dass man sich nur zum Fest hauchdünne Fladenbrote (Laufabrauð / Blattbrot) leisten konnte. Zum Ausgleich wurden diese Brote dann wunderschön verziert und konnten auch als Dekoration für den Weihnachtsbaum verwendet werden.
Während schon im September im Radio Weihnachtsmusik auf die alljährlichen Weihnachtskonzerte hinweist, so ist es wirklich erstaunlich, dass man Laufabrauð tatsächlich erst wenige Wochen vor Weihnachten im Supermarkt erhält. Es ist eben echtes Weihnachtsbrot!
Inzwischen werden in verschiedenen auf Weihnachtsschmuck spezialisierten Geschäften auf Island auch Laufabrauð-Imitate aus Blech oder Filz als Christbaumschmuck angeboten.
Ein bisschen isländische Weihnachtsstimmung lässt sich auch außerhalb Islands zaubern. Legen Sie isländische Weihnachtsmusik auf (z.B. unter „Jólatónlist“ / Weihnachtsmusik auf youtube), laden Sie Freunde ein und verzieren Sie gemeinsam Laufabrauð.
Verði ykkur að góðu – guten Appetit und gleðileg jól – frohe Weihnachten!
Jede Familie hat ihr eigenes traditionelles Rezept für Laufabrauð, das etwas variieren kann. Hier ein Beispielrezept:
1 kg Weizenmehl
1,5 Teelöffel Backpulver
100 gr Butter
0,75 l Milch
50 gr Zucker
1-1,5 Teelöffel Salz
Öl oder Fett zum Frittieren
Je nach Geschmack: Kümmel
Butter, Milch, Zucker und Salz zusammen aufkochen. Je nach Geschmack Kümmel mitkochen und später absieben. Den Sud über das mit Backpulver gemischte Mehl schütten und zu einem Teig verkneten. Der Teig wird geknetet, bis er sich gut vom Tisch löst. Allerdings sollte man den Teig nicht zu lange kneten, sonst wird er zäh. Der Teig wird aufgerollt, in Plastikfolie gewickelt und etwa eine halbe Stunde lang kühl gestellt. Der Teig, der gerade nicht in Arbeit ist, sollte mit einem feuchten Tuch elastisch gehalten werden.
Jetzt beginnt der kreative Teil: Von der Teigrolle schneidet man kleine Stücke ab und rollt sie hauchdünn mit der Backrolle aus. Mit Hilfe eines Tellers werden runde Fladenbrote ausgeschnitten. Nun schneidet man mit einem Messer (Isländer verwenden auch gerne ein Spezialwerkzeug, ein Teigrad mit Mustern) diverse Muster in das Fladenbrot. Die einzelnen Teig-Einschnitte werden dann umgeklappt. Wichtig ist, dass man das fertige Brot mit einer Gabel durchlöchert, damit sich beim Frittieren keine Blasen bilden. Die verzierten Brote lagert man bis zum Frittieren unter feuchten Tüchern und trennt sie mit Backpapier voneinander.
Nun wird das Öl / Fett in einem großen Topf erhitzt und die Brote einzeln kurz frittiert. Dabei sollten die Brote im Fett gewendet werden, bis sie –je nach Geschmack- hellbraun sind. Abgelegt werden die fertigen Brote auf Küchenrolle oder sauberer Zeitung, damit das Fett ablaufen kann. Man sollte die Brote sofort nach dem Frittieren beschweren, so dass sie sich nicht aufwölben. Dies kann zur Herausforderung werden. Die fertigen Brote lagert man am besten in einer Blechdose und verzehrt sie dann zu Weihnachten oder verwendet sie als Weihnachtsbaumschmuck. Die Teigreste frittiert man zum Schluss der Backaktion und genießt sie sofort mit etwas Butter. Herrlich!
Laufabrauð ist übrigens auch wesentlich angenehmer als fermentierter Rochen (skata). Dieser wird traditionell am 23. Dezember (Þorláksmessa) gekocht. Jedes Jahr wird in der Zeitung das Ergebnis einer Umfrage gedruckt: Soll es in Mehrfamilienhäusern weiterhin erlaubt bleiben, am 23. Dezember verfaulten Rochen zu kochen? Die Mehrheit der Bevölkerung hat sich bisher für diesen Brauch ausgesprochen. Kein Wunder, dass fast jeder zu Heilig Abend geräuchertes Lammfleisch kocht. So kommt der typische, angenehme Weihnachtsduft ins Haus.
Text und Fotos: C.B.
Fotos Laufabrauð: G.K.