April 24, 2016

Borgarfjörður Eystri heißt den Papageitaucher willkommen


Welch ein Glück, wenn man mal vom Schreibtisch wegkommt, um kurzentschlossen einer Einladung in den entlegensten Winkel Islands zu folgen. Meine beiden Mitarbeiterinnen Anne, Gurrý und ich durften am ersten Sommertag, der auf Island am 21. April gefeiert wird, in den Flieger nach Egilsstaðir steigen und einmal über das weißverschneite Hochland fliegen. Nach der Ankunft wurden wir zusammen mit anderen Teilnehmern von einem Kleinbus abgeholt, der uns an der atemberaubenden Bergkulisse des Gebirges Dyrfjöll vorbei zum kleinen Fischerort Bakkagerði in Borgarfjörður Eystri brachte. Ich wollte schon lange einmal dorthin, denn die Gegend in den Ostfjorden gilt als kleine Wanderschatztruhe Islands und zudem als einer der besten Spots um Papageitaucher zu sehen.

Genau diesen wollten wir wollkommen heißen, wenn wir alle drei auch nicht so richtig dran glaubten, dass dieser putzige Vogel schon so früh im Jahr vom Meer ans Land zurückgekehrt sein sollte. Doch als wir schließlich im Hafen ankamen, sahen wir hunderte von Papageitauchern auf einem grasbewachsenen Felsen sitzen. Wir wurden von unserem Gastgeber Arngrímur herzlich in Empfang genommen und gleich über eine gut befestigste Holztreppe auf den Vogelfelsen geleitet, wo wir die Papageitaucher aus nächster Nähe ganz ruhig und andächtig beobachten konnten. Es war ein herrlich milder Abend mit klarem Wetter und bestem Blick über das ganze kesselförmige Tal und das weite Meer.

Der Papageitaucher ist ein recht treuer Vogel; zumindest führt er eine monogame “Saisonehe” wobei einige Paare aber auch schon in der Vorsaison zusammen waren. Er ist pünktlich und heimatverbunden. Jedes Jahr kommt er zur gleichen Zeit im Frühjahr und sucht wieder den gleichen Felsen auf, um ein einziges Ei zu legen und das Junge aufzuziehen. Wenn man sich die wunderschöne Umgebung anschaut, kann man die Wahl der Vögel gut nachvollziehen. Mitte August ziehen sie dann aufs Meer hinaus, wo sie entweder einzeln oder in kleinen Gruppen den Winter verbringen.

Eine Neuerung mussten die Vögel in diesem Frühjahr jedoch verkraften, denn die schlauen Ortsbewohner haben nicht nur sehr gute Treppen und Aussichtsplattformen auf den Felsen gebaut, sondern auch noch eine Hütte, in der man gegen eine kleine Gebühr stundenlang bequem bei Wind und Wetter verharren kann, um die Papageitaucher zu fotografieren oder einfach nur zu beobachten. Die Bauten tragen zur Sicherheit der Vögel und dem Schutz der Flora bei und bieten gleichzeitig ausgezeichnete Möglichkeiten für Besucher und Vogelliebhaber, um dem Nationalvogel Islands ganz nahe zu kommen.

Glücklich und etwas fröstelnd von der abendlichen Kühle wurden wir im Hafen mit einer warmen und ausgezeichneten Fischsuppe sowie geräuchertem Papageitaucherfleisch von Arngrímurs Frau bewirtet. Danach ging es in sein Hotel Álfheimar, zu Deutsch Elfenheim, wo wir uns nur kurz aufhielten, da wir gleich weiter wollten, um den Abend im heißen Pott ausklingen zu lassen. Das Gästehaus Blábjörg hat sich in einer alten Fischverarbeitungshalle im Ortskern direkt am Meer angesiedelt und verfügt über eine großzügige Spaanlage mit heißen Pötten und Sauna. Mit einem Bier in der Hand saßen wir im warmen Nass und ließen die grandiose Umgebung auf uns wirken. Zu allem Überfluss leuchtete auch noch der Vollmond und ein Sternenhimmel über uns.

Wir schliefen selig in den komfortablen Betten, vermutlich sorgsam bewacht von Arngrímurs Elfen, und wachten am nächsten Morgen bei leichtem Schneefall wieder auf. Die erste Frage, die sich mir stellte, war ob wir wohl im Tal festsitzen würden und noch etwas länger in diesem schönen Ort bleiben würden. Es ist keine Seltenheit, dass die Bergpässe unpassierbar sind, wenn das Wetter umschlägt. Aber unser Busfahrer, der übrigens auch ein Gästehaus und einen Bauerhof im Nachbartal betreibt, brachte uns alle wohlbehalten wieder zum Flughafen zurück.

Ich möchte nun unbedingt nochmal im Sommer wiederkommen, um auf eine der tollen Wandertouren mitzugehen, die Arngrímur mit seinen Gästen unternimmt. Er freut sich immer besonders über deutsche Besucher, da er dann ihre Spontanität und Flexibilität herausfordern kann. Da die Wolken gerne in den Bergen der Ostfjorde hängen bleiben, muss man das Tagesprogramm immer nach der Wetterlage ausrichten. Wenn es nördlich verhangen ist, ändert Arngrímur das Programm und geht stattdessen im Süden wandern. Oder umgekehrt. In jedem Fall, so sagt er, sollte man nie unter zwei Tagen einen Besuch in Borgarfjörður Eystri einplanen, denn sonst bleibt nicht viel Zeit, um all die Schönheit der Umgebung zu erkunden.

Text: Emma Magnusson, Photos: Anne Steinbrenner